Dienstag, 1. Juli 2014

Buchvorstellung : Die blinden Flecken der Ökonomie - Bernd Senf (Teil 1)

Kurz zum Inhalt

"Bernd Senf zeigt die Stärken und Schwächen der gängigen Wirtschaftshteorien auf und entwirft eine undogmatische Synthese ihrer richtigen Erkenntnisse."
(Klappentext)




Im Buch sind dann zur Unterstützung des Erklärten, diverse einfache Grafiken enthalten. Zwei Beispiele habe ich unten eingefügt.




Auf fast jeder Seite sind Grafiken dieser Art enthalten. 


Buchvorstellung und meine Meinung

Ich habe die Vorstellung dieses Buches in zwei Teile geteilt. Das Buch ist zwar nur unter 300 Seiten dick, aber die sind vollgespickt mit Informationen. Inhaltlich sehr dicht gedrängte Informationen, also wenig "Füllstoff". 

In der Einleitung erklärt Senf, dass die Ökonomie zur neuen Weltreligion geworden ist, wir sollten deren Priester nicht einfach predigen lassen, wir sollten verstehen und ns selber ein Bild machen. (vgl. S.16) Und das verständlich erklärt, von Wissenschaftssprache in deutsche übersetzt sozusagen. (vgl. S.17) Senf beleuchtet verschiedene Wirtschaftstheorien, auf die u.a. auch unser System fußt. Er erklärt sie zuerst und zeigt ihre Schwachpunkte auf. Er deckt sozusagen ihre blinden Flecken auf. Die erste Hälfte des Buches befasst sich mit Francois Quesnay, Adam Smith und Marx. Diesen Teil werde ich hier vorstellen Weiter geht es dann mit Neoklassik, das behandle ich dann in einem gesonderten Post. 

Hier einige interessanten Punkte zum Inhalt des ersten Teils des Buches:

Der Kapitalismus entstand historisch durch gewaltsame Umwälzungen, (vgl. S.30) 
Smith Theorie der Arbeitsteilung betrachtet Arbeit als "Ausbeutungsobjekt, der sich entfaltenden kapitalistischen Produktionsweise". Seine Theorie degradiert Arbeit. Wie? Dazu hat Marx eine detaillierte Analyse abgeliefert, die später behandelt wird. 

Laut Smith soll "Allgemeiner Wohlstand ... über Steigerung von Produktion und Konsum..." erreicht werden die  Verteilung des Wohlstands bleibt da aber offen. (vgl. S. 33)
Die blinde Flecken die Bernd Senf bei Smith aufdeckt sind: Der ungleiche Tausch zwischen erster und dritter Welt, der u.a. auch aus dem Kolonialismus entstanden ist, wird von Smith ignoriert. Daraus folgte die Entstehung von Monokulturen und die Zerstörung der Vielfältigkeit der Produktion und damit der Waren und anderer kultureller "Produkte".  Bernd Senf nennt das auch, die "soziale Kernspaltung". Das soll an die atomare Kernspaltung   erinnern,  aufgrund der  "destruktive Kettenreaktion", die ausgelöst wird. (S. 41). 
Smith träumt von einer Markwirtschaft, die sich selbst reguliert, durch die Kräfte von Angebot und Nachfrage. Die Regulatoren sind Zinsen, Preise und Löhne. Smith übersieht hier:  diese Ideologie, der Nutzenmaximierung auf der einen Seite und Gewinnmaximierung auf der anderen Seite, führt zur Entfaltung des Egoismus, und nicht zum Wohlstand vieler. Die realen Entwicklungen im 19. Jahrhundert für die große Masse der Arbeiter haben es gezeigt. (vgl. S.54-55)

Marx und Engels haben sich für die Verbesserung der Situation der Arbeiter eingesetzt. Interessant in dem Zusammenhang sind folgende Feststellungen:

"Menschen die nur noch auf kleine Splitter konzentriert sind, sind in ihren vielfältigen Ausdrucksmöglichkeiten reduziert." (vgl. S. 60)
"Menschen die einen Großteil ihrer Lebenszeit unter solchen entfremdeten Arbeitsbedingungen zubringen müssen und sich mit dem Produkt ihrer Arbeit überhaupt nicht mehr identifizieren können, erleiden unvermeidlich einen Identitätsverlust, werden von ihren eigenen kreativen Entfaltungsmöglichkeiten immer mehr entfernt und werden von sich selbst entfremdet. Sie verkümmern, ähnlich einer Pflanze, die weder hinreichend Wasser noch Licht bekommt, und wachsen nicht annähernd in ihr menschliches Potential hinein" (vgl.S. 60) Das wirkt sich auch gesamtgesellschaftlich auf das soziale Miteinander einer Gesellschaft aus. Und sind immer noch aktuell. 

Marx beschäftigt sich unter anderem, mit der historische Entstehung des Kapitalismus, der Herausbildung der Lohnarbeit in der Warenproduktion und die neue Bindung, die die Menschen mit dem Kapital eingehen. (vgl. S. 63) Marx analysiert außerdem sehr detailliert den Kapitalismus und beschäftigt sich mit ihrer Dynamik. Am Ende steht der Klassenkampf. Bernd Senf analysiert sehr detailliert die Mehrwerttheorie von Marx. Die Lohnarbeit bringt Mehrwert hervor. Der Mehrwert wiederum ist die Grundlage für Profite. "Indem jedes einzelne kapitalistische Unternehmen in Konkurrenz zueinander stehen, sind sie alle gezwungen Mehrwert zu erzielen und aus der Arbeitskraft herauszuziehen, wenn sie nicht untergehen wollen." (S.91) Das wiederrum führt zu Ausbeutung, was dann in den Klassenkampf mündet. 

Worin Senf mit Marx einig ist, ist das Krisen systemimmanent sind in kapitalistischen Systemen. Sie sind ein normaler Bestandteil des Systems, kein einmaliges, außergewöhnliches Gewitter. (vgl. S.70-71) Krisen gehören zur inneren Dynamik des Systems. (vgl. S. 93)

Marx hatte zwar eine excellente Analyse des Kapitalismus abgegeben, mit blinden Flecken zwar, aber keine konkrete Umsetzung des Sozialismus hinterlassen, nur Visionen. (vgl. S. 102) dogmatische Erstarrung S. 103

Blinden Flecken bei Marx, die Bernd Senf identifiziert sind:

Der ökologische blinde Fleck bei Marx ist die Produktionskraft der Natur, die außer acht gelassen wird.  Menschliche Arbeitskraft ist nur ein kleiner Teil der Natur. Die Natur benötigt  natürlich Regeneration und kann nicht ohne Rücksicht darauf ausgebeutet werden. Der  Vorschlag des Autors wäre, die Reproduktionskosten der Natur zu berücksichtigen über eine  Art "Naturabschreibung".  (vgl. S. 104-106)

Marx Theorie enthält auch einen feministischen blinden Fleck, auf den ich jetzt nicht näher eingehen werde. Außerdem identifiziert Senf einen monetären blinden Fleck. Der Fehler bei Marx: für ihn sind Waren und Geld gleichwertig. Geldwert ist gekoppelt an Gold, Gold ist aber nicht beliebig reproduzierbar. Die Arbeitswertlehre ist auf Gold nicht anwendbar. (vgl. S. 113) Störungen des Geldkreislaufs, wie eine dramatische Geldverknappung waren den Sozialisten fremd, deswegen wurden monetäre Krisen des 20.Jahrhunderts, wie die Inflation 1923 nicht richtig erkannt. (vgl. S.114) und entsprechend auch nicht richtig bekämpft. 

Marx war außerdem massenpsychologisch blind. Marx Formel lautete: 

wachsende Krise = wachsende Linkstendenz 

Diese Gleichung ging nicht auf. In der Realität gab es eine wachsende Rechtstendenz (vgl. S. 115) in der 30er Jahren des 20. Jahrhunderts. 

Das waren jetzt die wichtigsten Punkte der ersten 100 Seiten. ihr merkt wie dicht man wichtige Informationen bei Bernd Senf serviert bekommt. Für Wirtschaftsstudenten sollte das Buch eigentlich ein Muss sein. Seine Bücher sind aber so geschrieben, dass sie eigentlich jeder lesen kann, er erklärt die Theorien dann ja auch recht ausführlich, mit vielen Grafiken.

Also auf jeden Fall 

empfehlenswert